Albert Camus. Das Ideal der Einfachheit von Iris Radisch

“Im Jahr 1956 sieht sich Camus auf der ganzen Linie als gescheitert an.” Und deshalb schreibe ich über dieses Buch von Iris Radisch 60 Jahre danach.

Es ist das Jubiläum eines gescheiterten Lebens, wobei wir uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen müssen.

Weil Camus mich seit meiner Jugend begleitet ist jedes Buch über ihn für mich eine persönliche Angelegenheit. Beim Lesen des Buches von Iris Radisch hatte ich das Gefühl, daß es auch für sie eine sehr persönliche Angelegenheit war.

Nie zuvor habe ich eine Biografie gelesen, die so sehr den Menschen mit seiner Sexualität und den Sorgen und den Kampf gegen Ausgrenzung als roten Faden schildert, um Literatur und Leben zu zeigen. Ziemlich ehrlich und richtig gut gemacht.

978-3-498-05789-3

Sie schildert wie Sartre Camus nach dem Buch Der Mensch in der Revolte öffentlich hinrichtet. Und dann kommt sie zu dem Ergebnis: “Am Ende hat die Geschichte Sartre unrecht gegeben. Und Camus in allem bestätigt.”

So souverän schildert Radisch das Leben und den Werdegang von Albert Camus von Anfang an. Sie zeigt einen Menschen, der sich trotz Krankheit entwickelt und der aus armen Verhältnissen kommend spürt, er wird nie zu den Mandarinen von Paris und der Oberwelt gehören.

Ohne den Friendesnobelpreis, den Preis der Mächtigen, wäre er heute noch mehr vergessen. Denn er schildert die Erfahrungen der Armut und das Ideal der Einfachheit.

Iris Radisch schildert woher dieses Denken kommt, das Camus eher besichtigt als selbst gelebt hat, da er selbst nicht aus der algerischen Ursprungskultur kommt sondern aus dem französischen Umfeld.

“Das Lob der Armut ist ein riskantes intellektuelles Manöver. Camus weiß das.” Und so schildert Iris Radisch sehr differenziert wie man immer in eine Falle tappt, wenn der Weg nur aus Fallen besteht – es sei denn man geht nicht. Aber das war nicht der Fall.

Und vielleicht muß man so sensibel und fraulich blicken können wie Frau Radisch, um zu sehen, daß Camus nur durch die Frauen um sich herum in die Lage versetzt wurde, ein Leben (auch z.T. auf Kosten der Frauen) zu leben, das seinesgleichen suchte.

Zu dem Buch gibt es auch ein Interview mit der Autorin.

Zu dem Buch gab es natürlich zum 100. Todestag 2013 viele Rezensionen und einige Bücher. Die kann man ergooglen.

Am besten gefällt mir das Urteil des FAZ-Rezensenten: “Iris Radisch dagegen hat eine Biographie voller Empathie geschrieben, ohne je der Versuchung zu erliegen, an einer Heiligenlegende zu stricken.”

Und offenkundig ist Camus der Mann, der nicht nur die Frauen liebte sondern bis heute lieben die Frauen Camus. Denn immer wieder schreiben Frauen über Camus, die Liebe und die Frauen.

Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Das ist die Antwort von Camus und das ist das Geheimnis dieses Buch, das ich gerade für die schwersten Stunden sehr empfehlen kann, wenn man seinen eigenen Weg geht, wenn man merkt, wie man ausgegrenzt wird und wenn man Camus mag.

Und Iris Radisch schreibt so locker lesbar über den Menschen und die Welt, daß es auch ein Leseerlebnis ist.

Das Buch ist im Rowohlt Verlag erschienen.

Iris Radisch
Camus
Das Ideal der Einfachheit – Eine Biographie

ISBN 978-3498057893

About Michael Mahlke

Der Autor hat Jura in Köln und Sozialwissenschaften, Geschichte und Pädagogik in Wuppertal studiert. Er war u.a. Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und ehrenamtlicher Richter. Er coachte viele Jahre Menschen, Schwerpunkte waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er arbeitete als Dokumentarfotograf und Publizist, offline und online, analog und digital.

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