Das Auge des Arbeiters von Wolfgang Hesse (Hg.)

Diese Buchvorstellung dient dazu, auf ein einzigartiges Buch aufmerksam zu machen. Es ist selten genug, wenn Forschung Wirklichkeit erfasst. Hier ist ein Kompendium erstellt worden, das als Fotobuch Forschungsergebnisse und historisches Geschehen in umfassender Weise zusammenfaßt.

Das Buch lebt.

Das Layout ist von Beginn an so gemacht wie Fotos es brauchen: groß, übersichtlich und mit vielen fotografischen Zeugnissen in Orginalformaten gefüllt.

Die Schrift der Texte ist gut lesbar, weil die Texte gelesen werden wollen.

Und das gesamte Buch zeigt die Lebendigkeit von Forschung, die sich nicht verstecken will sondern über Menschen, Schicksale und das Thema Fotografie im Arbeiterleben erzählen möchte.

Arbeiterfotografie um 1930 ist das Thema.

Wissenschaftlich hört sich das so an: “In der Arbeiterfotografie als Ausformung visueller Eigen- und Gegenkultur nichtbürgerlicher Schichten im beginnenden Medienzeitalter haben sich diese Faktoren – durchaus widersprüchlich – niedergeschlagen.”

Das steht in der Einleitung und weist auf viele Beteiligte hin. Wir erfahren, daß die Kunstsammlungen Zwickau, das Käthe Kollwitz Museum in Köln und das Stadtmuseum Dresden durch ihre Bestände ein Interesse daran hatten, dieses Thema zu begleiten und auch eine Ausstellung mit zu gestalten.

Das ist auch gelungen.

Aktuell ist die Ausstellung in Zwickau zu sehen, danach in Köln und dann in Dresden. Aber es handelt sich jedes Mal um eine andere Ausstellung, weil der Schwerpunkt des jeweiligen Museums mit eingebunden wird. Das ist noch spannender.

Ausstellung und Buch lohnen sich sehr. Gemeinsam sind sie unschlagbar.

“Sowohl in der aktiven Wahrnehmung professioneller Fotografie und bildender Kunst wie auch im Eigensinn der nicht von Pressezwecken angepassten Praxis der Amateure haben sich in der Arbeiterfotografie somit sonst nicht existierende Dokumente eines Blicks von unten erhalten, die in Darstellungen zur Geschichte des Visuellen im 20. Jahrhindert bisher nicht hinreichend beachtet worden sind…. Denn die Alltagspraxis Arbeiterfotografie ist Teil der Vor- und Frühgeschichte heutiger Amateurkulturen und handelt nicht zuletzt (und durchaus aktuell) vom Kampf um gesellschaftliche Selbstbestimmung in der Massenkommunikation im Widerspruch zu unkontrollierbaren Funktionalisierungen der Subjekte durch wirtschaftliche und politische Interessen.”

Diese Sätze aus der Einleitung zeigen den Rahmen, der in diesem Buch zu finden ist. Es ist ein großartiges Buch voller dokumentierender Fotos mit exzellenten wissenschaftlichen Texten, bibliographischen Angaben und einer interessanten Quellenkunde.

Wer sich über Arbeiterfotografie ein Bild machen will, der ist hier richtig.

Es ist bei spectorbooks erschienen:

Das Auge des Arbeiters. Arbeiterfotografie und Kunst um 1930

Im Aufbruch der Medienmoderne hielten Arbeiter in den 1920er Jahren erstmals ihr beengtes Lebensumfeld, den Kampf der Arbeiterbewegung sowie die bewusste Theatralität des Alltags fest. In einem dreijährigen DFG-Projekt am Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde wurden über 5.000 Fotografien in sächsischen Sammlungen (Dresden, Zwickau, Leipzig) erschlossen – die umfangreichste und detaillierteste Forschung zu diesem Thema. Die Beiträge in dem Band diskutieren diese neue Bildkultur und setzen sie ins Verhältnis zur Grafik und Malerei der Zeit. „Das Auge des Arbeiters“ erscheint als Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung in den Kunstsammlungen Zwickau, dem Käthe Kollwitz Museum Köln und dem Stadtmuseum Dresden. Teil der Publikation ist ein Bestandsverzeichnis der 400 Fotografien des Leipziger Bauarbeiters und Bauhausschülers Albert Hennig in den Kunstsammlungen Zwickau. Die Ausstellung wandert von Zwickau (Mai – August 2014) über Köln (August – Oktober 2014) nach Dresden (März – Juni 2015).

During the modernist media revolution of the 1920s, workers photographically recorded their cramped environments, the battles of the labor movement and their consciously theatrical every-day lives for the first time. In a three-year DFG-funded project at the Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (the Institute for Saxon History and Ethnology), over 5.000 photographs from Saxon collections (Dresden, Zwickau, Leipzig) were assessed—in the most extensive and detailed research into this topic to date. The contributions in the book discuss this new image culture and compare the photographs to then contemporary graphic design and painting. “Das Auge des Arbeiters” (The Worker’s Eye) accompanies the eponymous exhibition at the Kunstsammlungen Zwickau, the Käthe Kollwitz Museum Cologne, and the Stadtmuseum Dresden. An inventory of the 400 photographs taken by Leipzig construction worker and Bauhaus student Albert Henning from the Kunstsammlungen Zwickau forms part of the publication. The exhibition will travel to Zwickau (May – August 2014), Cologne (August – October 2014), and Dresden (March – June 2015).

  • 28.0 x 19.5 cm, 440 Seiten, Deutsch, zahlreiche s /w und Farbabbildungen, fadengehefteter Festeinband
  • Gestaltung: Florian Lamm, Lamm & Kirch, Leipzig
  • Wolfgang Hesse
  • Leipzig 2014
  • ISBN: 978-3-944669-44-1

 

About Michael Mahlke

Der Autor hat Jura in Köln und Sozialwissenschaften, Geschichte und Pädagogik in Wuppertal studiert. Er war u.a. Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und ehrenamtlicher Richter. Er coachte viele Jahre Menschen, Schwerpunkte waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er arbeitete als Dokumentarfotograf und Publizist, offline und online, analog und digital.

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