Der gute und der gläubige Gitano von Michael Archan

Wenn ein Wissenschaftler forscht und darüber dann ein Buch schreibt, kann es spannend werden. Das ist hier der Fall. Michael Archan ging ins Feld nicht auf den Acker. Ins Feld gehen bedeutet in der Soziologie und Ethnografie das Beobachten und Befragen im natürlichen Umfeld. Das ist Feldforschung.

Dazu fuhr Michael Archan nach Barcelona zu den Gitanos, das sind Romas. Er kaufte sich ein altes Wohnmobil und lebte dort jahrelang als Englischlehrer im Ehrenamt, um als Forschender die sozialen Türen zu öffnen.

Daraus ergab sich dann sein Thema “Traditionelle Roma-Kultur und pentekostale Religion im Konflikt”

Zwischen teilnehmender Beobachtung und beobachtender Teilnahme vor Ort führte er jahrelang Tagebuch und schrieb letztlich dazu dieses Buch.

Das Buch ist spannend und gut geschrieben. Mir ist aufgefallen, daß die Mengenlehre auch bei der Begegnung von Wissenschaft und Lebenspraxis funktioniert. Und so schildert der Autor seine Erlebnisse ebenso wie seine Versuche, mental und real zurückzukehren in das Reich der abstrahierenden Begriffe, um Person, Feldforschung und das eigene Leben immer wieder in eine Linie zu bringen.

Das Buch selbst ist ja die manifeste Reflexion im Rückblick und enthält die Distanz zum Geschehen. Und weil der Autor gut schreiben kann, gelingt es ihm, sehr anschauliche Aufzeichnungen mit kaum verständlichen soziologischen Wissenschaftsklammern aus der Literatur zu koppeln.

Das ist fast einzigartig. Aber auch ein Wissenschaftler im Feld ist sein eigener Lebensversuch und so ist das Buch auch ein Bericht über das eigene Leben als Wissenschaftler im Versuch.

Das finde ich klasse. Das Buch ist natürlich sehr speziell aber wer so etwas mag, der macht mit diesem Buch alles richtig weil es authentisch ist.

Es ist dicht, es ist klug, es ist echt und es macht dann auch echt Spaß.

Es zeigt mir persönlich auch noch eine Menge anderer Dinge auf. Denn es stellt sich die Frage, welche Relevanz Forschung hat und wie sie übertragbar ist. Mir persönlich fiel auf, daß ich seine Erlebnisse auf meine eigene Kirchengemeinde übertragen könnte und daraus ableite, daß es sich hier offenbar um Fragen der modernen Gesellschaft handelt, die sich überall nur anders ausdrücken.

Die Neoliberalisierung findet überall statt aber was vorher war ist auch nicht unbedingt “besser” gewesen – nur für die, die vorher herrschten.

Das Buch regt sehr zur Meinungsbildung und zur Selbstreflexion an.

Die monochromen Fotos im Buch sind meiner Meinung nach durchgängig viel zu dunkel gedruckt aber sonst ist das Buch einfach großartig.

Es ist im Jonas-Verlag erschienen.

Michael Archan

Der gute und der gläubige Gitano
Traditionelle Roma-Kultur und pentekostale Religion im Konflikt

ISBN:978-3-89445-555-2

About Michael Mahlke

Der Autor hat Jura in Köln und Sozialwissenschaften, Geschichte und Pädagogik in Wuppertal studiert. Er war u.a. Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und ehrenamtlicher Richter. Er coachte viele Jahre Menschen, Schwerpunkte waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er arbeitete als Dokumentarfotograf und Publizist, offline und online, analog und digital.

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