Handbuch Promotion von Ansgar Nünning und Roy Sommer (Hg.)

“Forschung-Förderung-Finanzierung” ist der Untertitel dieses Hand- und Arbeitsbuches rund um das Thema Promotion. Und tatsächlich findet sich hier eine Fülle von Artikeln zu wirklich allen wichtigen Fragen zu diesem Thema.

Dabei ist dieses Buch mehr als eine Einführung. Es zeigt u.a. den nationalen und internationalen Rahmen von Promotionen in Deutschland auf und es diskutiert die Veränderungen im Rahmen des Hochschulstudiums in den letzten Jahren. Es stellt einerseits den Promotionsprozess dar und reflektiert andererseits diesen Prozess.

Das Buch ist in sieben Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt werden Hintergründe, Debatten und Standpunkte dargestellt von der Frage über die “optimalen Promotionsbedingungen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften” bis zu einem Vergleich zum Thema Promovieren in Deutschland und den USA.

Im zweiten Abschnitt wird der Weg von “der Promotionsentscheidung bis zur Finanzierung” aufgezeigt, im dritten Abschnitt “die Promotion als Qualifizierungsphase?.

Wie bewirbt man sich auf Stipendien und Stellen und wo bewirbt man sich? Welche Qualitätskriterien gibt es für die Doktorandenbetreuung? Wie hilfreich sind “Forschungssupervision und Promotionscoaching”? Welche Schlüsselkompetenzen sind wichtig für die erfolgreiche Promotion etc. ?

Im Abschnitt “Dissertation und mündliche Prüfung” werden alle wesentlichen und praktisch relevanten Fragen gestellt und kompetent beantwortet.

“Der Umfang einer typischen Dissertationsschrift liegt bei etwa 200 bis 300 Druckseiten, also beim Vierfachen einer typischen Studienabschlussarbeit (Magister – oder Staatsarbeit bzw. M.A.-These). Von den ersten Überlegungen bis zur Abgabe der fertigen Dissertation vergehen jedoch in der Regel mindestens vier Jahre (die Höchstlaufzeit von Stipendien beträgt drei Jahre, aber diese beginnen mit der Aufnahme in die Förderung, also am Ende der Themenfindungsphase, nicht mit dem Anfang des Arbeitsprozesses). Obwohl man eigentlich annehmen könnte, dass mit zunehmender Übung das Schreiben leichter fällt…. ist das Gegenteil der Fall: Die Dissertation ist im Verhältnis deutlich zeitaufwendiger als Haus- und Abschlussarbeiten.”

Diese klaren Worte von Roy Sommer zeigen den Weg hin zu dem, was dabei rauskommen soll, “die wissenschaftliche Visitenkarte des Autors/der Autorin, der/die methodisch gewonnenen Erkenntnisse der scientific community mitteilt und eigene Thesen zur Diskussion stellt.” (S. 241)

Wie geht man dabei nun vor? Expose, Projektskizze, Arbeits- und Zeitplan werden diskutiert, wie man eine Doktorarbeit konzipiert und vieles mehr.

So stößt man vor zu locker wirkenden und dennoch wesentlichen Gedanken wie “Wissenschaftliches Arbeiten besteht darin, Fragen aufzuwerden und zu beantworten: Die Fragestellung ist die Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt etwas entdecken …(Sellin 2001, S.81)”

Es sind solche Mutmacher, die in einem Promotionsprozess immer wieder Fixierungen und Blockaden lösen können.

Im fünften Abschnitt wird ausführlich das Thema “Promotion und Karriere” angesprochen und im sechsten Abschnitt gibt es anstelle eines Fazits “100 Tipps für (angehende) Promovierende”.

Hinzu kommt ein Anhang mit Adressen, Literaturhinweisen und vieles mehr.

Das “Handbuch Promotion”, das Ansgar Nünning und Roy Sommer herausgegeben haben, ist ein Buch mit einem hohen Nutzen, in dem ausserordentlich viele Aspekte zum Thema Promotion in Theorie und Praxis dargestellt und erörtert werden.

Das Buch ist systematisch aufgebaut und ist in meinen Augen als Arbeitshilfe für die Praxis konzipiert. Es spiegelt in gewisser Weise auch das deutsche Hochschulsystem wieder und hilft, seinen eigenen Weg zu finden.

Besonders hilfreich sind die vielen Fragestellungen, die fast automatisch eigene Denkprozesse initiieren. Dadurch kann das Buch eine relative Sicherheit auf dem Weg durch die Promotion vermitteln, weil die Beispiele für Abläufe und Zeitpläne die Chance zu einer realistischen Selbsteinschätzung bieten.

Die von Bettina Fauser geäußerte Kritik an diesem Buch ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Es geht eben nicht darum, DIE Promotion zu beschreiben, sondern die Praxis des Promotionsprozesses zu erfassen und dafür konkrete Hilfestellung zu geben. Und das gelingt in diesem Buch sehr gut.

Aber das Buch dokumentiert auch ein Defizit der Doktorandenausbildung in Deutschland. Mit 35 ist Schluß. In Deutschland ist das Thema Promotion völlig fixiert auf jungen wissenschaftlichen Nachwuchs.

Eine offene Gesellschaft mit Lebensentwürfen, die vielleicht vorsehen, dass man 25 Jahre nach seinem Studium noch mal studiert um dann mit ca. 50 Jahren zu promovieren und auch entsprechend gefördert zu werden, ist in Deutschland nicht vorgesehen. Die Menschen sollen bis 67 arbeiten aber Erfahrungspotentiale und Entwicklungspotentiale von Menschen ab 50 scheinen überflüssig zu sein. Dies zeigt das Buch auch sehr deutlich durch das Nichtvorhandensein dieses Themas.

Promotionen dienen offenkundig nur dem akademischen wissenschaftlichen Nachwuchs – vor 35 – als formaler Weg zur Habilitation. Die praktische Promotion, die nach einem Weg voller Erfahrungen im Arbeitsleben dies verbinden will mit theoretischen Updates, um die neue Kombination wieder in die Praxis einzubrigen, ist nicht vorgesehen.

Dabei wäre genau dies erforderlich, um eine nachhaltige Mischung als zukünftigen Wettbewerbsvorteil nutzen zu können. Weil es aber dafür keine Förderung für die Zeit der Promotion und keine Rückkehrwege in die Arbeitswelt gibt, sind Menschen, die dies machen, chancenlose High-Potentials..

Wenn man so schaut, sieht man eine völlig erstarrte wissenschaftliche Landschaft in Deutschland, die riesige Potentiale nicht fördert und die in Verwaltung und Beamtentum gefangen ist. Daher ist das Buch in meinen Augen doppelt gut.

Der Verlag schreibt “unverzichtbar für Doktoranden”. Dem kann man wirklich nur zustimmen. Wer promovieren will und dieses Buch nicht liest, ist selber schuld.

Das Buch ist im Metzler-Verlag erschienen.

Ansgar Nünning/Roy Sommer (Hrsg.)
Handbuch Promotion
Forschung – Förderung – Finanzierung
ISBN: 978-3-476-02011-6

Text Version 1.1

About Michael Mahlke

Der Autor hat vor, während und nach dem Studium als Dozent in der Erwachsenenbildung gearbeitet, u.a. für die Bundeswehr, die Arbeitsagentur und das Gesamtdeutsche Institut. Er war Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und Berater für die Umsetzung von Arbeit und Alter in Arbeitsprozessen. Er organisierte betriebliche Umstrukturierungen, leitete Konferenzen, schrieb Reden und coachte bzw. begleitete viele Jahre Menschen und Gruppen. Schwerpunkte dabei waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er ist Publizist, Autor diverser Bücher, Fachvorträge und Artikel und seit ca. zehn Jahren in den Online-Medien unterwegs, erst mit Texten und nach Studien über Cartier-Bresson auch mit Fotos und diversen multimedialen Reportagen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert