Es kam (kommt?) darauf an, wer hinter der Kamera ist. Im Sieveking-Verlag ist ein sehr interessantes Buch erschienen. Dort können wir lesen, wer die Menschen hinter der Kamera waren, die weltberühmte Fotos machten.
Weil es mehr “große” Fotografen und Fotografinnen gab als zwischen zwei Buchdeckel passen, hat die Autorin Juliet Hacking 38 ausgesucht, die ihr wichtig erschienen.
Das sind viele und es sind sehr unterschiedliche Menschen. Ihr gelingt es, Menschen zu zeigen, die fotografieren und nicht Fotografen zu zeigen, die Menschen sind (wer würde daran zweifeln).
Das Buch enthält zu jeder Person auch ein bis zwei Fotos aber entscheidend sind die Texte, die etwas über die Entwicklung des Menschen, das Wesen seiner Fotografie und den Charakter der Fotos aussagen.
Mir fiel zunächst auf, wie viele Menschen aus Ungarn zur ersten Garde der Fotografie gehörten als das 20. Jahrhundert begann.
Die Autorin will mit diesem Buch bewußt Biografien zu diesem Thema präsentieren, die sich auf aktuelle und wichtige Sekundärliteratur stützen.
Beim Lesen wird deutlich, wie wichtig Fotografie für viele war, um das eigene Leben und auch die eigene Sexualität wahrzunehmen oder überhaupt zu reflektieren.
Zugleich waren Fotos als öffentlicher Teil dann eine Art Resonanzboden für Empfindungen, die andere auch hatten und wurden dadurch medial verstärkt als Ausdruck von Zeitgeist und Befreiung.
Sie schreibt überwiegend über Künstler des 20. Jahrhunderts.
Dies war die Zeit als man von der Fotografie als Handwerk leben konnte.
So ist zwar der Name August Sander allgemein bekannt, aber kaum erwähnt wird, daß er sein Werk als Wanderfotograf erstellte, der irgendwo hinging und die Menschen ansprach, ob sie jetzt gerade fotografiert werden wollten. Und er nahm sie so auf, daß die Abzüge als Beispiele für mögliche neue Kunden dienen konnten.
Oder Ansel Adams, der zeitlebens kränkelte und durch das Alleinsein und durch seine “Schwäche” die Stärke für seine Fotografie entwickelte.
Es kommt aber auch heraus wie zufällig es ist “entdeckt” zu werden. Obwohl man heute von der Fotografie meistens schlecht leben kann, ist es heute dennoch oft leichter mit der Fotografie in “Teilzeit” zu leben als damals, je nach Umfeld.
Mehr schlecht als recht kamen selbst grosse Namen oft Jahrzehnte zurecht. Manche wurden sogar erst nach ihrem Tod kommerziell auskömmlich.
Das Buch ist trotz vieler Wörter leicht zu lesen und daher sehr substanzreich, wenn man nach dem Lesen über die Menschen nachdenkt.
Mir gefällt vor allem auch, daß in der Rückschau auch deutlich wird, wie sich persönliche fotografische Stile entwickeln und wie wichtig es auch heute ist, Unterschiede jenseits der Normung in Fotos wahrzunehmen. Genau dies ist heute durch viele Filter noch schwieriger geworden.
Es ist ein gutes Buch geworden für Menschen, die mehr wissen wollen als der Blick auf Fotos ermöglicht, nämlich etwas über die Menschen hinter der Kamera.
Die Porträtierten: Ansel Adams | Manuel Álvarez Bravo | Diane Arbus | Eugène Atget | Richard Avedon | Margaret Bourke-White | Bill Brandt | Brassaï | Claude Cahun | Julia Margaret Cameron | Robert Capa | Henri Cartier-Bresson | Roy DeCarava | Charles Lutwidge Dodgson | Robert Doisneau | Peter Henry Emerson | Walker Evans | Roger Fenton | Lady Clementine Howarden | Hannah Höch | André Kertész | Gustave Le Gray | Man Ray | Robert Mapplethorpe | László Moholy-Nagy | Eadweard Muybridge | Nadar | Norman Parkinson | Irving Penn | Albert Renger-Patzsch | Alexander Rodtschenko | August Sander | Edward Steichen | Alfred Stieglitz | Paul Strand | Shomei Tomatsu | Edward Weston | Madame Yevonde
Juliet Hacking
Aus dem Englischen
18,6 x 24,6 cm
304 Seiten
103 Abb.
Geb. mit Schutzumschlag
lieferbar
ISBN 978-3-944874-27-2 (Deutsch)