Die Büchersäufer von Uwe Wittstock

“Streifzüge durch den Literaturbetrieb” ist der Untertitel dieses Buches. Als es 2007 erschien waren amazon und thalia schon da, aber die vielen Buchhandlungen auch noch.

Und heute?

Fünfzehn Jahre später ist dieses Buch so aktuell wie nie zuvor und zugleich ein Geschichtsbuch voller Geschichten. Wenn man es liest, merkt man wie die Zeit vergeht und wie kurz das Gedächtnis ist.

Uwe Wittstock hat alle Texte in diesem Buch zuerst in Zeitungen veröffentlicht. Weil jeder Text neue Erlebnisse mit anderen Menschen und anderen Bereichen des Literaturbetriebs beschreibt, kann man das Buch nicht wie einen Roman lesen und Entwicklungen überfliegen. Jeder Text steht für sich und die Erfahrungen des Autors machen daraus gelebte Gegenwart, die nun Geschichte ist.

Ich finde dieses Buch besonders spannend und erschreckend gut, weil es zeigt, wie sich die Welt in dieser eher kurzen Spanne verändert hat und was bis heute geblieben ist.

“Martin Sonneborn … trat an jenem denkwürdigen Abend von beiden Funktionen zurück… Soeben habe ihm vor aller Augen Moritz Hunziger die Hand gedrückt, und jeder im Land wisse, wohin das führe. Bevor ihn aber das Schicksal anderer von Hunziger beratener Politiker wie Rudolf Scharping, Cem Özdemir oder Walter Döring ereile, wolle er lieber gleich die Konsequenzen ziehen…”

Das war 2007, heute schreiben wir 2022. Dieses Buch ist für denkende Menschen eine wunderbare Quelle, um unsere Gesellschaft im Umbruch zu erkennen.

Seine Porträts sind einfach informationsreich und kenntnisreich. Seine Zeilen über Gerd Haffmans zeigen einen Menschen, ohne den ich die Bücher von Arthur Schopenhauer nie kennengelernt hätte und der so viele großartige Bücher und Editionen hervorgebracht hat trotz dauerhafter finanzieller Mangelwirtschaft, daß ich so schlaglichtartig einen tiefen Einblick in einen großartigen Literaturvermittler gewinnen konnte.

Das Buch zeigt aber noch viel mehr. Es zeigt die Größe und Vielfalt der literarischen Landschaft und den eigenen kleinen Horizont.

Das ist nicht schlimm, wenn man weiß, daß sogar Schopenhauer sich stark beschränkte und nicht die Aufnahme sondern die Verarbeitung von Informationen entscheidend ist. Enzyklopädisten sind keine Philosophen.

Bei mir hat dieses Buch aber noch mehr bewirkt. Ich habe nach fast allen Texten gegoogelt und die Namen und Daten mit den aktuellen Suchergebnissen auf Suchmaschinen verglichen.

Dadurch ist das kleine Buch von Wittstock nicht nur ein roter Faden für den damaligen Literaturbetrieb und den damaligen Zeitgeist, sondern zugleich ein roter Faden, um die veränderte Situation heute mit dem Wissen von damals auch in der Breite zu betrachten.

So ermöglicht es kenntnisreiche Blicke, neue Perspektiven und bietet eine unglaubliche Fülle an Inspirationen.

Ich bin sehr froh, daß ich es gefunden und gelesen habe.

Und das Beste ist, man kann es sogar noch kaufen.

ISBN-139783866740051

 

About Michael Mahlke

Der Autor hat Jura in Köln und Sozialwissenschaften, Geschichte und Pädagogik in Wuppertal studiert. Er war u.a. Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und ehrenamtlicher Richter. Er coachte viele Jahre Menschen, Schwerpunkte waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er arbeitete als Dokumentarfotograf und Publizist, offline und online, analog und digital.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert