Nomaden der Arbeit von Jessica Bruder

Eigentlich ist über das Buch schon alles geschrieben worden. Oder eben doch nicht, denn hier ist eine neue Art der Sozialreportage entstanden, die sich selbst aktualisiert.

Frau Bruder berichtet über das Leben im Auto in den USA und zeigt das ganze Ausmass des fehlenden Sozialstaats am Beispiel von Linda und später anderen Menschen, die sie kennengelernt hat.

Gute Bildung schützt nicht vor Abstieg, gute private Vorsorge schützt nicht vor Abstieg und viel Fleiß schützt ebenfalls nicht vor Abstieg.

Jessica Bruder beschreibt aber nicht nur die anderen sondern auch sich selbst beim Erkunden und Entdecken dieser Welt, die direkt neben ihr vorhanden ist, aber die man erst sehen lernen muß.

Jeder Asylant in Deutschland ist ohne Gegenleistung wesentlich besser sozial versorgt und abgesichert als die #vanlife Menschen in den USA.

Aber wie das so ist.

Fast der Einzige, der in dieser Not den Menschen und vor allem denen über 50 eine Chance zum Arbeiten im großen Stil gibt, ist amazon.  Amazon bietet Campingplätze an, wo die Vanlife Menschen übernachten können, um dann bei Amazon in den Warenverteilzentren zu arbeiten. Natürlich schlecht bezahlt und ohne soziale Absicherung. Aber dafür kann man kostenlos aus Automaten Schmerztabletten ziehen und auf dem Boden der Toiletten sind die Urinfarben aufgezeichnet, damit man vergleichen kann, ob man genug trinkt ….

Gewerkschaften sind tabu. Daher ist es interessant mit welcher Vehemenz amazon auch in Deutschland Tarifverträge verhindert.

Man sieht hier, was passiert, wenn Gewerkschaften schwach werden und der Sozialstaat weiter erodiert.

Dann leben die neuen Nomaden in Autos und Kleinbussen, wobei wir ja nun schon einen Schritt weiterdenken müssen.

Denn diese neuen Nomaden werden sich keine Elektrobusse kaufen können…

Jessica Bruder hat aber nicht nur ihre eigenen Erlebnisse und Recherchen in dem Buch verarbeitet sondern weist auch auf Internetadressen von #vanlife Menschen und auf Bücher hin, die in den USA zur Orientierung dienen.

Wir sind ja in Deutschland ebenfalls zunehmend der weiteren Verarmung im Alter ausgesetzt und der Bestrafung der Fleissigen, wie allein die Doppelbelegung mit Sozialversicherungsbeiträgen bei Betriebsrenten zeigt.

Und wer es nicht bis dorthin schafft, der hat aktuell hier einen noch etwas höheren Standard, weil er eine gesetzliche Krankenversicherung hat.

Aber wir stehen hier schon an der sozialen Grenze, zumal eine private Vorsorge bei Null Zinsen nicht realisierbar ist.

Das Buch ist ein großer Wurf aber zeigt auch die Macht der Verhältnisse. Wer darüber hinaus nur damit beschäftigt ist über die Runden zu kommen, wird kaum Zeit haben für den Kampf um eine andere Politik.

Ja ja, so wunderbar die Gabe des Wissens ist, so wenig hat sie doch Macht über das Geschehen….

Das Buch ist im Blessing Verlag erschienen.

 

 

 

About Michael Mahlke

Der Autor hat Jura in Köln und Sozialwissenschaften, Geschichte und Pädagogik in Wuppertal studiert. Er war u.a. Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und ehrenamtlicher Richter. Er coachte viele Jahre Menschen, Schwerpunkte waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er arbeitete als Dokumentarfotograf und Publizist, offline und online, analog und digital.

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