“Ursprünglich hätte die Ausstellung bereits im Oktober letzten Jahres eröffnet werden sollen. Doch dieser Termin musste Corona bedingt abgesagt und verschoben werden, bis Österreichs Regierung mit Beginn dieser Woche neben Handel, Schulen und Dienstleistungen auch den Museen grünes Licht für die Wiedereröffnung gab.
Die Albertina griff, wie bei zahlreichen anderen Ausstellungen auch, zunächst auf die eigenen Bestände zurück, auf die Aufnahmen von Portrait-Fotografinnen und Fotografen im Deutschland und Österreich der Zwischenkriegszeit, wie etwa Trude Fleischmann, die im Wien der 20er-Jahre ein renommiertes Foto-Atelier unterhielt, mit Portraits von Wilhelm Furtwängler, Karl Kraus, Paula Wessely oder Stefan Zweig zu den gefragtesten Fotografinnen aufstieg. Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden die Aufnahmen des Fotografen, Kameramanns und Filmemachers Helmar Lerski, der in den Jahren 1935 und 1936 mit seinen 137 Portraitaufnahmen eines einzigen Modells auf einer Dachterrasse in Tel Aviv die beeindruckende Serie „Verwandlungen durch Licht“ schuf. In den Ausstellungsräumen im obersten Stockwerk der Albertina sind, übersichtlich angeordnet und thematisch begleitet, unter anderem auch die eindrücklichen Portraitaufnahmen August Sanders zu sehen.
Bis zum 24. Mai 2021 ist die Ausstellung „Faces – die Macht des Gesichts“ für Interessierte geöffnet.
So schreibt es Clemens Verenkotte.
Glücklicherweise gibt es zu dieser Ausstellung einen Katalog, der als Buch im Hirmer-Verlag erschienen ist. Das Buch ist ein wahrer Schatz, wenn es um die Wandlung von Porträtaufnahmen geht. Hier finden sich ausserordentlich viele und sehenswerte Aufnahmen und gelungene Aufsätze mit Substanz und Horizont.
Aber nicht nur das. Das Buch animiert zum Ausprobieren. Gerade mit Smartphones ist heute unproblematisch diese Nähe bei Porträtaufnahmen möglich, so daß es eigentlich an der Zeit ist, hundert Jahre später diese Ansätze neu zu entdecken und umzusetzen.
Ausgehend von Helmar Lerskis herausragender Fotoserie “Metamorphose – Verwandlungen durch Licht” von 1935/36 zeigt der prächtige Band “Faces – Die Macht des Gesichts” Porträts aus der Zeit der Weimarer Republik. Die Aufnahmen der Fotografinnen und Fotografen der 1920er- und 1930er-Jahre vermochten es, die Porträtfotografie radikal zu erneuern.
Dienten Porträtfotos herkömmlich der Darstellung der Persönlichkeit eines Menschen, fassen Fotografinnen und Fotografen der Zwischenkriegszeit das Gesicht als nach ihren Vorstellungen inszenierbares Material auf. Über das fotografierte Gesicht werden sowohl ästhetische Überlegungen als auch die politischen Umbrüche der Weimarer Republik verhandelt. Modernistische Experimente, das Verhältnis zwischen Individuum und Typ, feministische Rollenspiele und politische Ideologien kollidieren und erweitern damit das Verständnis der Porträtfotografie.
Künstler*innen:
Gertrud Arndt, Marta Astfalck-Vietz, Irene Bayer, Aenne Biermann, Erwin Blumenfeld, Max Burchartz,
Suse Byk, Paul Citroen, Carl Theodor Dreyer, Andreas Feininger, Werner David Feist, Trude Fleischmann, Jozef Glogowski, Paul Edmund Hahn, Lotte Jacobi, Grit Kallin-Fischer, Edmund Kesting, Rudolf Koppitz, Kurt Kranz, Anneliese Kretschmer, Germaine Krull, Erna Lendvai-Dircksen, Helmar Lerski, László Moholy-Nagy, Lucia Moholy, Oskar Nerlinger, Erich Retzlaff, Hans Richter, Leni Riefenstahl, Franz Roh, Werner Rohde, Ilse Salberg, August Sander, Franz Xaver Setzer, Robert Siodmak, Anton Stankowski, Edgar G. Ulmer, Umbo, Robert Wiene, Willy Zielke
Das Buch ist im Hirmer-Verlag erschienen.
ISBN: 978-3-7774-3578-7