Die Faultiermethode von Dolly Fred

“Es ist einfacher, auf manche Dinge zu verzichten, die man mit Geld kaufen kann, als das Geld zu verdienen, um sie zu kaufen.” Mit diesem Satz wird auf dem Buch geworben und er macht neugierig.

Nein, das Buch ist keine Einladung zum lebenslangen Nichtstun. Das Buch ist eine Einladung besser durch diese Welt zu kommen, eine Welt, die keine echten Maßstäbe mehr hat (hatte?). Geschrieben von einer jungen Frau in den 70er Jahren wurde es erstmals vor kurzem auf Deutsch veröffentlicht. Und die junge Frau wurde älter und das Buch wurde ergänzt und das macht dies alles richtig spannend.

Dolly Fred lebt mit ihrem Vater in einem Haus, schuldenfrei und einfach. Sie schildert, wie man mit wenig Geld und viel Eigenleistung sehr viel machen kann: Garten bewirtschaften, schlachten, beim Nachbarn arbeiten, richtig angeln, Obst konservieren, Wein und Schnaps herstellen, einen Ofen bauen und vieles mehr. Und doch zeigt dies alles nur, wie viel man selbst tun kann.

“Wenn Sie kein Idiot sind, wissen Sie, dass man abwechslungsreich essen, industriell verarbeitetes Fastfood vermeiden und sich nicht auf Aufputschmittel verlassen soll, um fit zu bleiben.” So klar gibt sie dem Menschen die Verantwortung für sein Leben zurück.

Aber sie geht noch weiter. “Ein eigenes schuldenfreies Haus zu besitzen – das ist der Schlüssel zu allem anderen.” Diesen Satz muß man aber amerikanisch sehen. Dort gibt es solche Häuser schon für 30 bis 50 tausend Euro, in ländlichen Regionen noch billiger. Es geht also nicht um unerreichbare Träume sondern um preiswerte Autonomie.

Sie glaubt daran, dass Kinder und Erwachsene, die die Sicherheit haben, zu Hause zu sein, sich auch selbst um ihre Zukunft kümmern.

Das setzt aber meiner Meinung nach eine entsprechende Charakterprägung und durch Verzicht geprägte Lebenserfahrungen voraus, wie sie diese von sich selbst schildert.

Aber auch ohne Haus ist dieses Kapitel von besonderer Bedeutung. Dolly Fred sucht nach dem richtigen Umgang mit der materiellen Welt. Ich meine, sie zeigt, wie “wichtig” materielle Güter sind. Das Faultier ist schon länger da als der Mensch und wird uns wohl auch überleben. Und selbst wenn man genug verdient, dann kommt der Satz von Diogenes an dieser Stelle gedanklich wieder hervor, der schon am Anfang des Buches auftaucht: “nicht der Mensch hat den Besitz, sondern der Besitz hat den Menschen.”

Das Buch ist locker geschrieben und doch voller Stellen mit viel Tiefgang. Es gibt in diesem Buch zwei Sätze neben anderen, die jeweils durch schöne Schilderungen ergänzt werden und die ich für sehr wichtig halte:

“Natürlich wissen Sie, dass Geld nicht nur dazu dient, Waren und Dienstleistungen zu kaufen, sondern auch Prestige und Status.”

“Wenn der Gedanke, Ihren Job zu kündigen, Sie umhaut, dann lassen Sie es sein. Wenn Sie dabei allerdings ein gutes Gefühl haben, dann nichts wie los!”

Diese Sätze zeigen, dass dieses Buch Sie einlädt, sich zu ändern. Es treibt Sie gedanklich zur Frage nach den eigenen Massstäben und gibt Ihnen die Chance, sich neu zu orientieren.

Besonders sympathisch wird das Buch durch das Nachwort. Hier schreibt die Autorin dreissig Jahre später über ihr eigenes Leben und die gelebten Ratschläge aus ihrem Buch. Das gibt dem Buch eine sehr spannende Wendung.

“Bei der Faultiermethode ging es vor allem darum, die Wahl zu haben, über sein eigenes Leben zu entscheiden.” So lautet ein Satz aus diesem Kapitel. Und ein anderer lautet: “Glücklich zu sein ist vielleicht nicht das einzige Ziel eines erfüllten Lebens. Oftmals ist es genauso befriedigend, engagiert und interessiert zu sein.”

Die Rezension beende ich hier, weil Sie das Buch ja noch lesen sollen. Wenn Sie in ihrem Leben etwas ändern wollen, dann kann dieses Buch sehr hilfreich sein. Gerade die Biografie der Autorin macht das Buch zu einem gelebten Text und zeigt, dass die Verantwortung für das eigene Leben und auch gute Gedanken immer wieder neu auf eine Situation umgemünzt werden müssen. Genau dies macht das Buch ehrlich, authentisch und sehr hilfreich.

Die für das Lesen des Buches aufgewendete Lebenszeit wird wahrscheinlich ein Vielfaches an Veränderungen hervorbringen – viel Spaß!

Dolly Fred:
Die Faultiermethode. Ein Manifest gegen die alltägliche Diktatur des Geldes
Aus dem Amerikanischen von Yamin von Rauch
220 Seiten
ISBN 978-3-8077-1064-8

About Michael Mahlke

Der Autor hat vor, während und nach dem Studium als Dozent in der Erwachsenenbildung gearbeitet, u.a. für die Bundeswehr, die Arbeitsagentur und das Gesamtdeutsche Institut. Er war Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und Berater für die Umsetzung von Arbeit und Alter in Arbeitsprozessen. Er organisierte betriebliche Umstrukturierungen, leitete Konferenzen, schrieb Reden und coachte bzw. begleitete viele Jahre Menschen und Gruppen. Schwerpunkte dabei waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er ist Publizist, Autor diverser Bücher, Fachvorträge und Artikel und seit ca. zehn Jahren in den Online-Medien unterwegs, erst mit Texten und nach Studien über Cartier-Bresson auch mit Fotos und diversen multimedialen Reportagen.

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