Soziale Lebenslaufpolitik von Gerhard Naegele (Hrsg.)

Es gibt Bücher, die werden Standardwerke. Das Buch “Soziale Lebenslaufpolitik” ist so ein Standardwerk. Es setzt einen informativen und wissenschaftlichen Standard. Mit unterschiedlichen disziplinären Perspektiven wird hier eine Transparenz und eine Transzendenz bisheriger Sozialpolitik erreicht.

Das Ziel des Buches ist es, neben einer Bestandsaufnahme auch “konkrete Sozialpolitikkonzepte oder zumindest – perspektiven” vorzustellen. Dieses Ziel wird erreicht.

Die Autorinnen und Autoren des von Gerhard Naegele herausgegebenen Sammelbandes haben dabei versucht, alle relevanten Themenbereiche abzudecken, die zukünftig für eine seriöse Sozialpolitik eines modernen Staates wichtig sind.

Hintergrund dieses informativen Buches ist u.a. ein schon 2002/2003 erschienener Forschungsbericht “A new organization of time over working life.”

Dass es einen Zusammenhang zwischen Lebensläufen und Sozialpolitik gibt und dass dieser in Europa je nach nationaler Sozialpolitik anders ist, wird ebenso dargestellt wie die aktuelle Situation.

Der Beginn des 21. Jahrunderts in Europa war ja gekennzeichnet durch eine “Modernisierung” der traditionellen Arbeitnehmerrisiken in Deutschland (Agenda 2010 und Hartz 4) und dem Versuch der Übernahme dieser Philosophie in Europa.

Aus wissenschaftlicher Sicht waren die Niederländer die ersten, die den Lebensverlauf und seine Risiken in dieser Zeit neu diskutierten und die Frage stellten, welche externen und selbstgewählten Lebensrisiken gibt es und welche Rolle spielt dabei die Sozialpolitik?

Naegele ergänzt dies: “Speziell das deutsche Lebens(ver)laufsregime verbindet Sozialpolitik und Biografiegestaltung auf vielfältige Weise. Deutsche Lebensläufe und Biografien folgen dabei unmittelbar (sozial-)politischen Vorgaben…”

So entwickelt sich in dem Buch der Rahmen für die Themen, die darin dargestellt werden: Generationenpolitik, Erwerbsarbeit, Arbeitsmarktpolitik, Existenzgründungen, Demografie-Falle, Soziale Sicherung, Bildung im Alter, Aktives Altern, Flexibilität und Sicherheit etc.

Sehr viele durchdachte und erforschte Aspekte dieser Arbeitsfelder werden in diesem Band zusammengefasst. Das Buch will die Dimensionen einer “sozialen Lebenslaufpolitik” darstellen, die sowohl die Schutzfunktion der Sozialpolitik zeigt als auch die Gestaltungsfunktion.

Und das Buch will “vor dem Hintergrund der quantitativen wie qualitativen Bedeutungszunahme der Lebensphase Alter im Lebenslauf diese auch explizit und strategisch in den Blick nehmen.”

Kann dies gelingen? Es handelt sich ja um ein wissenschaftliches Buch. Dies bedeutet, hier werden Forschungsergebnisse und Zusammenhänge formuliert.

Aber nicht nur.

So finden sich in dem Buch auch Beiträge wie der von Armin Laschet über die “Grundzüge einer Generationenpolitik am Beispiel Nordrhein-Westfalen.” Das hat sich so seit der letzten Wahl schon relativiert.

Doch gerade dies mindert nicht die anderen hier vorhandenen Beiträge in ihrer Perspektive für eine verbesserte Sozialpolitik im 21. Jhrdt., sondern zeigt nur den Zusammenhang von Wissenschaft und Lebenspraxis.

Nun ist es für mich leider unmöglich, in dieser Rezension auf alle knapp 30 Beiträge inhaltlich einzugehen. Aber wenn man sich das Ziel des Bandes anschaut und die Inhalte, dann wird spätestens nach dem Lesen deutlich, dass das Buch einen echten und hoch anzusiedelnden Zugang in dieses Thema bietet.

Es zeigt Wege in eine moderne Sozialpolitik. So kann niemand sagen, er hätte es nicht wissen können, wie man Sozialpolitik für die Menschen machen kann. Aber es wird eine spannende Frage werden, ob im Rahmen der “Schuldenbremse” ein solcher Weg gegangen wird oder eher die falsche Frage von der Politik gestellt wird, wollen wir uns noch Sozialpolitik leisten?

Aber auch darauf gibt der Band viele Antworten. Ich persönlich habe aus diesem Band abgeleitet, dass ein Staat wie Deutschland ohne mehr echte Sozialpolitik und eine veränderte soziale Lebenslaufpolitik seine vordere Rolle im Rahmen des globalen Wettbewerbs verlieren wird. Dabei geht es weniger um mehr Geld für jeden einzelnen. Vielmehr geht es um bessere und dem Lebenslauf der Menschen angepasste Möglichkeiten, die die persönliche Entwicklung mit klugen und gesellschaftlich nützlichen sowie persönlich sinnvollen Massnahmen steuern und fördern.

Insofern ist dieses Buch hochexplosiv – und gut.

(Hg.) Naegele, Gerhard, Unter Mitarbeit von Bertermann, Britta
Soziale Lebenslaufpolitik

ISBN: 978-3-531-16410-6

About Michael Mahlke

Der Autor hat vor, während und nach dem Studium als Dozent in der Erwachsenenbildung gearbeitet, u.a. für die Bundeswehr, die Arbeitsagentur und das Gesamtdeutsche Institut. Er war Leiter einer privaten Wirtschaftsschule und Geschäftsführer einer sozialen Organisation und Berater für die Umsetzung von Arbeit und Alter in Arbeitsprozessen. Er organisierte betriebliche Umstrukturierungen, leitete Konferenzen, schrieb Reden und coachte bzw. begleitete viele Jahre Menschen und Gruppen. Schwerpunkte dabei waren Übergänge, Arbeit und Alter, Konfliktbewältigung und neue Medien. Er ist Publizist, Autor diverser Bücher, Fachvorträge und Artikel und seit ca. zehn Jahren in den Online-Medien unterwegs, erst mit Texten und nach Studien über Cartier-Bresson auch mit Fotos und diversen multimedialen Reportagen.

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